Im Rahmen des Runden Tischs „Queere Jugendarbeit“ der Landesfachstelle Hessen „Queere Jugendarbeit“, unter Mitarbeit von Alex Faulhaber (Sportjugend Hessen), Luisa Zingel (SJD – Die Falken Bezirk Hessen Nord) und Matthias Roth (Queerformat – Rüsselsheim).
Die Bedarfe von queeren Jugendlichen decken sich an vielen Stellen mit den Bedarfen von Jugendlichen, die nicht queer sind: sie wollen teilhaben, mittendrin sein, sich entsprechend ihrer Interessen einbringen und neue Erfahrungen machen.
Unterschiede entstehen dort, wo Diskriminierung, Abwertung, Unsichtbarkeit und Fehlinformationen wirken. Junge Menschen brauchen ein offenes Umfeld, das sie annimmt, und einen Zugang zu verlässlichen Informationen. Viele queere Jugendliche wachsen immer noch ohne positive Vorbilder auf. Gepaart mit den negativen Haltungen gegenüber queeren Menschen stehen queere Jugendliche vor einer besonderen Herausforderung, wenn es darum geht, herauszufinden, wer sie sind. Die hohe Hemmschwelle, die durch Diskriminierung in den verschiedensten Lebensbereichen entsteht, verhindert Bekenntnisse zur eigenen Identität häufig über Jahre.
Vor dem Hintergrund der anstehenden Kommunalwahlen in Hessen werfen wir einen Blick auf die Rolle der Kommunalpolitik und -verwaltung gegenüber queeren Jugendlichen.
Die Tatsache, dass in einer Gemeinde auch LSBT*IQ-Jugendliche leben, wird oftmals ignoriert. Gerade im kommunalpolitischen Umfeld haben viele Formen von Diskriminierung ihre Ursache überwiegend in Gedankenlosigkeit. Die Lebenswirklichkeit von LSBT*IQ-Jugendlichen ist bei politisch-planerischen Überlegungen nicht im Blick. Erste Aufgabe ist es daher, das Bewusstsein für die Belange von LSBT*IQ in der Kommunalpolitik zu schärfen. Die bundesweit steigende Zahl von erfassten Gewalttaten gegen queere Menschen (Deutscher Bundestag – Drucksache 19/12934), die hohe Prävalenz von psychischen Belastungen und Suizidalität bei LSBT*IQ Jugendlichen und die immer noch bestehende Diskriminierung von queeren Menschen in vielen Bereichen des Lebens zeigen, dass noch viel zu tun bleibt – auch auf kommunaler Ebene. Damit LSBT*IQ Jugendliche in der Kommunalpolitik berücksichtigt werden können, ist es wichtig, dass sich verantwortliche Personen, Institutionen und Verwaltungen gut informieren und das Gespräch suchen.
Wie bei allen anderen Wahlen auch, ist es bei den anstehenden Kommunalwahlen von zentraler Bedeutung, populistischen und spaltenden Tendenzen entgegenzutreten. Die universell gültigen Kinder- und Menschenrechte sind wie die Grundrechte fundamentale Basis unserer Gesellschaft. Vielfalt, Toleranz und Respekt sind nur einige der Werte, die heute mehr denn je geschützt werden müssen. Auch in der Parteienlandschaft wurde die Vielfalt der Lebensformen in den vergangenen Jahren vermehrt in Frage gestellt und vom traditionellen Familienbild abweichende Lebensformen abgewertet. Das Grundgesetz sichert allen Menschen in Deutschland das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz und Nicht-Diskriminierung zu. Parteien, die diese Grundsätze in Frage stellen, bewegen sich außerhalb des demokratischen Spektrums und gefährden Sicherheit und freie Entfaltung von queeren Menschen ganz konkret.
An der Kommunalpolitik partizipieren
Mit der Teilnahme an den Kommunalwahlen könnt ihr direkt Einfluss auf das Zusammenleben in eurer Stadt oder Gemeinde nehmen. Als Gruppe, freier Träger oder Verein könnt ihr darüber hinaus das Geschehen vor Ort konkret mitgestalten. Es gibt verschiedene Möglichkeiten und einige Tipps, wie das erfolgreich geschehen kann:
- Es ist von großem Vorteil, als Gruppe, Organisation oder Netzwerk zu agieren, da diese oftmals einen größeren Einfluss haben als Einzelpersonen.
- Bringt queere Themen ein, wenn ihr schon bzgl. anderer Themen mit kommunal-Verantwortlichen im Austausch seid.
- Stellt Kontakt zu Kandidat_innen von Parteien her und überzeugt sie von Bedarfen, Ideen und Forderungen.
- Schließt euch mit Stadt- und Kreisjugendringen, queeren Vereinen und Jugendverbänden zusammen, um Verbündete für eure Forderungen zu gewinnen.
- Erarbeitet möglichst konkrete Forderungen, denn je konkreter Forderungen sind, desto genauer muss zu ihnen Stellung bezogen werden.
- Nehmt die Kommunalpolitiker_innen in die Verantwortung. Unterstützend könnt ihr zum Beispiel Studien zur Lebenssituation von queeren Jugendlichen heranziehen oder die Zahl von queeren Jugendlichen in der Kommune hochrechnen, um zu zeigen, wie viele queere Jugendliche von Angeboten profitieren können.
- Bedarfe von Jugendlichen müssen gedeckt werden, selbst wenn es sich nur um eine geringe Zahl von Jugendlichen handelt. Die Kommunalpolitik ist hier klar in der Verantwortung.
Was können und sollten Kommunen tun, damit es queeren Jugendlichen gut geht und sie sich gut entwickeln können?
- Jugendgruppe oder -zentrum einrichten
- LSBT*IQ-Beauftragte_r der Kommune, qualifizierte Ansprechpartner_innen oder Beratung bereitstellen
- Räume für Gruppen und Vereine schaffen
- Aktionen und Strukturen schaffen, die queeren Jugendlichen erlauben sichtbar zu werden und sich einzubringen
- Finanzielle Unterstützung von vorhandenen Initiativen sicherstellen
- Unterstützung bei Projekten bieten (CSD, queeres Filmfestival, Schul-Aufklärungsprojekte, queere Ferienspiele, z. B. finanziell, räumlich, personell, durch Material, etc.)
- Qualifikationsmöglichkeiten für Multiplikator_innen in Vereinen, offener Jugendarbeit und Schulen schaffen
- Queere Öffentlichkeitsarbeit der Stadt/Gemeinde umsetzen (z. B. Regenbogenflaggen am Rathaus, LSBT*IQ-Personen/Paare/Regenbogenfamilien auf der Website)
- Junge LSBT*IQ Geflüchtete unterstützen
Da es sich in vielen Fällen lohnt, das direkte Gespräch mit Politiker_innen zu suchen, möchten wir euch gerne noch auf die Broschüre „Meine Freizeit ist Ehrensache“ hinweisen. Hier findet ihr, insbesondere ab Seite 24, viele hilfreiche Tipps für Lobbyarbeit und Gesprächsführung.
Bringt euch ein und macht die Stimmen von Jugendlichen sichtbar, wo immer es geht! Beteiligt euch bei Panels, Veranstaltungen oder Diskussionsrunden und knüpft Kontakte. Die Stadt- und Kreisjugendringe sind gute Möglichkeiten, sich zu vernetzen. Wenn ihr mit anderen Gruppen aus ganz Hessen Kontakt aufnehmen oder von ihren Erfahrungen lernen wollt, ist die Landesfachstelle Hessen „Queere Jugendarbeit“ des Hessischen Jugendrings eine gute Anlaufstelle.
Kommunalpolitik ist, was ihr draus macht – also schreibt eine Mail oder nehmt den Hörer in die Hand!